"Unsere Fans zaubern Gänsehaut"

Geschrieben am 06.06.2020
von Thomas Kemper

Der SV Meppen löst in der 3. Liga und in der gesamten Region eine große Euphorie aus. Cheftrainer Christian Neidhart spricht im Interview mit Thomas Kemper über die schwierigen Wochen in der Corona-Krise, die Besonderheiten des Emslandes und wie ihn die Unterstützung der Zuschauer immer wieder begeistert.


Christian, die Corona-Krise hat die gesamte Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt – und sie tut es weiter.
Wie hast Du die vergangenen Wochen erlebt?

Christian Neidhart: „Sehr intensiv. Wir waren fast sieben Wochen zu Hause. Zum Glück durften wir dann unter strengen Bedingungen wieder in Kleingruppen trainieren. Wir sind froh, dass der Ball jetzt auch in der 3. Liga wieder rollt und wir unserer Arbeit nachgehen können.“




Die Spiele finden alle ohne Zuschauer statt. Wie schwierig wird es, sich bei „Geisterspielen“ voll auf den Profifußball und Topleistungen zu konzentrieren?
Christian Neidhart: „Das ist eine gute Frage, die ich mir auch oft stelle. Ich denke, es werden teilweise kuriose Ergebnisse zustande kommen. Es wird ein ganz anderes Bild im Stadion sein. Sonst ist die Hütte voll, wenn wir einlaufen. Das Kribbeln und die Anspannung werden nicht wie gewohnt da sein. Niemand kennt diese Situation. Das gilt für alle drei Profiligen. Es wird extrem schwierig werden fokussiert zu bleiben.“

Du bist seit sieben Jahren beim SVM. Was zeichnet diesen Verein aus?
Christian Neidhart: „Der SV Meppen ist ein Traditionsverein mit vielen treuen Fans in der Region. Nach dem Aufstieg in den Profifußball hat man gespürt, was hier mit der Unterstützung aller machbar ist. Darauf kann man hier zählen und auch sehr stolz sein.“



Großartige Spendenaktionen haben in den letzten Wochen gezeigt, wie die ganze Region den SVM unterstützt. Hast Du mit dieser riesigen Welle der Solidarität gerechnet?
Christian Neidhart: „Ehrlich gesagt, nein. Ich habe schon damit gerechnet, dass man uns unterstützt. Wie sich unsere Fans hier aber engagiert haben, ist beeindruckend. Ich bekomme jedes Mal Gänsehaut! Es geht vor allem weiter. Beispielsweise mit möglichen virtuellen Tickets bei den Geisterspielen. Ich bin unfassbar stolz auf alle Zuschauer und Fans des SV Meppen.“

Du bist in Braunschweig geboren – also auch ein Niedersachse. Ticken die Emsländer anders?
Christian Neidhart: „Man kann beide Städte und Vereine vor allem von ihrer Größe nur schwer miteinander vergleichen. Ich denke aber schon, dass der Emsländer eine etwas andere Mentalität hat. Ich habe ihn immer als etwas knorrig aber auch als besonders herzlich erlebt. Ich wurde hier fantastisch aufgenommen. Die Menschen hier sind geradeheraus, ehrlich und packen an. Wenn man diese Tugenden auch als Spieler beherzigt, wird man geliebt.“

Hat Dich die Zeit in Meppen geprägt oder verändert?
Christian Neidhart: „Als Trainer hat mich das absolut geprägt. Ich bin schon sehr dankbar, dass ich hier bereits seit sieben Jahren als Trainer arbeiten darf. Der Aufstieg in die 3. Liga war natürlich bisher der emotionale Höhepunkt! Ich habe in dieser Zeit dann auch meinen Fußballlehrer gemacht. Für mich eben auch eine wichtige Entwicklung. Wir sind aber insgesamt auf einem ganz anderen Level angekommen – diese Entwicklung begleiten zu dürfen ist einfach klasse.“

Als Trainer steht man permanent im Fokus der Öffentlichkeit. Wie kannst Du am besten abschalten?
Christian Neidhart: „Im Kreise meiner Familie komme ich zur Ruhe. Dort sprechen wir auch relativ wenig über Fußball. Auch nicht mit meinen Sohn Nico, der ja bei Hansa Rostock spielt. Die Zeit mit der Familie und guten Freunden – die genieße ich sehr.“

Du hast als Fußballprofi 1998 auch im fernen China gespielt. Wie war das?
Christian Neidhart: „Im Rückblick schon eine besondere Zeit. Politisch war das schwierig. Wir haben praktisch unter Vorgabe des zentralen Verbandes trainiert. Dann natürlich die enormen Dimensionen des Landes. Wir sind zu jedem Auswärtsspiel geflogen. Als ich mit einem Spielerkollegen in China ankam, haben uns 3000 Fans begrüßt, als ob wir Weltmeister geworden wären. Dabei kannte uns eigentlich keiner (lacht). Ich habe in Chengdu am Fuße des Himalaya-Gebirges gespielt. Schon eine irre Gegend. Kaum Touristen dort – die Chance Reinhold Messner zu treffen war allerdings groß (lacht wieder).“

Verreist Du privat auch gern?
Christian Neidhart: „Oh ja, unheimlich gern. Ich fliege gern mit meiner Frau auch mal kurz nach Mallorca. Ist halt auch deshalb sehr praktisch, weil wir von Zuhause nur 15 Minuten Fahrzeit zum Flughafen Münster/Osnabrück haben. Ich hoffe, dass dies auch bald wieder möglich sein wird.“

Zurück zum Profifußball: Welches Potenzial siehst Du in den nächsten Jahren noch beim SV Meppen?
Christian Neidhart: „Das Potenzial ist riesig. Ich glaube, wir haben bisher erst 50 Prozent ausgeschöpft. Wir können gemeinsam mit Fans und Sponsoren hier noch sehr viel bewegen, davon bin ich überzeugt!“



Wen würdest Du gern einmal selber interviewen?
Christian Neidhart: „Ich würde mich sehr gern mit dem Comedian Markus Krebs unterhalten. Ich glaube wir würden uns eine Stunde lang weglachen. Ich mag seinen Humor und die unnachahmliche Weise wie er seine Witze rüberbringt. Das macht Spaß!“

Christian, vielen Dank!